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SURFER GIRL, HERE I COME - Part 1

Aktualisiert: 24. Juli 2021

SAMSTAG, 17. Juli 2021


Who the f*ck am I ?!

Ich sitze gerade am völlig überfüllten Flughafen in Zürich. Es ist kurz vor 5 abends und ich habe im ganzen letzten Jahr nicht so viele Menschen auf einem Haufen gesehen wie jetzt gerade hier. Irgendwie schön. Die Menschen wollen wieder leben. Ich ja auch. Bis vor 3 Stunden wusste ich noch nicht, wie meine nächste Woche aussieht. Also, das weiss ich eigentlich immer noch nicht. Und genau darum denke ich seit 3 Stunden: WHO THE FUCK AM I? Ich glaube mein Puls ist seit 3 Stunden auf 180 und mein Adrenalinpegel vermutlich genau so unnatürlich hoch. Was ich vor 3 Stunden gemacht habe? Ich habe einen Flug gebucht. Einfach so. Ohne tatsächlich zu wissen, wo ich übernachten werde. Mittlerweile habe ich ein Hotel in der Stadt gebucht. Bis Montag habe ich also schon mal einen Schlafplatz. Wie viele Surf Camps ich seit Donnerstag angefragt habe, weiss ich schon gar nicht mehr. Dass ich nicht die Einzige bin, die Surfen will im Juli, das hatte ich ja erahnt. Aber dass einfach jedes einzelne Surf Camp ausgebucht ist, hätte ich nicht erwartet. Ich bin also immer noch auf der Suche. Ob ich bis Montag was finde, steht in den Sternen. Aber dass ich nach Bilbao fliege, steht schwarz auf weiss auf meinem Ticket. Ich erkenne mich kaum wieder. Ich bin jetzt 29 und weiss nicht, wann ich das letzte Mal so nervös war. Als ich mit 21 nach Hamburg gezogen bin, war ich auch nervös. Aber anders. Es war alles geregelt. Es war alles klar. Ich hatte eine Wohnung, wusste wo ich zur Schule muss. Hatte einen klaren Stundenplan und wusste: mindestens die nächsten 3 Jahre werde ich hier wohnen. Dass es am Ende 4 waren, hätte ich nicht gedacht, würde ich aber jederzeit genauso wieder machen. Das letzte Jahr war abgesehen vom fehlenden Engagement auf der Bühne, eigentlich fast das Schönste. Irgendwie waren das erste und das letzte Jahr die beiden Besten. Aber andere Geschichte.


Hier sind wir jetzt 8 Jahre später. Mittlerweile sitze ich im Flugzeug und meine Nervosität hat sich etwas gelegt. Jetzt bin ich eh erstmal für 2 Stunden einfach in der Luft. Dieses Gefühl, als das Flugzeug eben gestartet ist. Unbeschreiblich. Als ich vor genau eineinhalb Jahren das letzte Mal geflogen bin, wusste ich nicht, wie sehr ich es vermissen werde. Und bis gerade eben wusste ich auch nicht, wie sehr ich es vermisst habe. Dieses Gefühl der Freiheit, wenn das Flugzeug abhebt. Wow. Einfach wow. Ich bin gerade unendlich dankbar in diesem Flieger sitzen zu dürfen. Auf einmal bin ich nur noch im Moment. Dieses Abheben hat mich gerade so runtergeholt. Zurück zu mir. Im meinen Körper. In den Moment. Wenn ich jetzt gerade an übermorgen denke, bin ich völlig entspannt. Obwohl ich weiss, dass ich das ändern wird, sobald wir gelandet sind, geniesse ich es jetzt einfach.

Ich bin noch nie alleine irgendwo hingeflogen, ohne zu wissen, was mich dann in dieser Woche erwarten wird. Idealerweise hätte ich die ganze Woche schon voll ins Detail geplant. Also zumindest, alles was Unterkünfte angeht. Eigentlich entspricht es mir NULL, dass ich das wirklich durchgezogen habe und den Flug gebucht habe, obwohl nichts klar war. Props an meine Eltern. Ich habe nämlich heute morgen mit ihnen telefoniert und beide schrien ins Telefon: «GEH! BUCH DEN FLUG! TU ES.» Und meine Mama hinterher; DU KANNST. -Ende der Geschichte. Ja, so wird man mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Mein Dad hat sich natürlich sofort an dem Computer gesetzt und rausgesucht, wo ich hin kann und was sich sehen muss. Wie gesagt, all unsere Reisen waren immer perfekt geplant. Mein Dad ist ein absoluter Spitzenorganisatior. Für ihn ist es auch unverständlich, dass ich völlig digital Reise und absolut nichts zur Sicherheit ausgedruckt habe. Okay, um ehrlich zu sein: Das ist auch für mich neu. Ich habe eigentlich bisher immer (bis auf, wenn ich übers Weekend von HH nach Hause geflogen bin) meine Reisedokumente zur Sicherheit in Papierform dabei. Dieses Mal nicht.

Ich glaube tatsächlich: Das letzte Jahr hat mich nicht nur ein Stückchen verändert, nein. Es hat mich einmal auseinandergerissen und ich habe mir alle Zeit genommen, um mich langsam wieder zusammenzubasteln. Aber dieses Mal so wie es mir gefällt. So wie ich immer sein wollte. So, dass ich plötzlich spontan einen Flug buche und 4 Stunden später in einem Flugzeug nach Spanien sitze. YES BTICH! That’s right. That’s me. :D

Jahrelang habe ich davon geredet, endlich mal auf einem Surfbrett stehen zu wollen. Und hier bin ich. Auf dem Weg zu einem Hotspot für Surfer. Zwar noch ohne Platz in einem Camp geschweige denn einer Ahnung wie und wann ich auf einem solchen Brett stehen werde. Aber you will damn me. Ich werde auf einem Surfbrett stehen. Ich entschuldige meine Ausdrucksweise, aber gerade überwiegt die absolute Freude und der Stolz, dass ich tatsächlich gerade alleine in den Urlaub fliege. Ohne einen Plan. Aber mit einem ganz klaren Ziel. Und ooh my, ich lege soo viel Vertrauen ins Universum, dass es die beste Woche überhaupt werden wird. Ich glaube, ich könnte sogar Typ «verliebt sich ins alleine Reisen» sein. Und dann will ich nie wieder mit jemandem verreisen :D Oke nein, denke nicht. Ich liebe Gesellschaft. Aber ich hatte nicht erst gestern das Verlangen doch endlich auch mal alleine in die Welt zu ziehen. Irgendetwas in mir wollte diesen Urlaub wirklich alleine angehen. Auch wenn ich bis vor einer Stunde noch fast an Herzrasen gestorben wäre. Es hat sich bereits gelohnt. Ich fühl das.

Spannender weise, gibt es viele Menschen, auch in meinem Umfeld, für die eine Woche alleine Urlaub machen und ohne Plan losfliegen, absolut nichts Neues ist. Geschweige denn soviel Nervosität auslöst. Ich habe Freunde, die sind 3 Monate alleine losgezogen. Ohne Plan. Einfach mal ein One Way Ticket irgendwohin. Für mich absolut bewundernswert.

Ich habe mich heute gefragt woher diese Angst vorm Ungewissen kommt. Ich meine, ich habe eine Kreditkarte bei mir und werde sicherlich nicht, auf der Strasse landen. Irgendeine Unterkunft, gibt’s doch immer.

Der Punkt liegt glaube ich wirklich in meinen Familienurlauben. Unsere Ferien waren immer so perfekt geplant. Von A bis Z, ich kenne dieses «lass mal sehen, wo es uns hinzieht» gar nicht. Mit einem meiner Exfreunde war ich zwar im Camper Urlaub. Aber da hast du dein Haus ja dabei und kannst schlafen, wo immer es gerade passt und bleiben, solange wie du willst.

Ich glaube, so vollkommen behütet aufzuwachsen ist Segen und ein bisschen Fluch zugleich. Denn wenn ich mich heute selber reflektiere, verstehe ich, dass es mir in vielen Situationen an Selbstvertrauen fehlt. Nicht an Selbstbewusstsein, oder Selbstsicherheit, sondern am Vertrauen in mich und unbekannte Situationen. Gefühlt musste ich nämlich in meinem Leben nie mit einer Situation alleine klarkommen. Meine Familie war und ist auch heute noch immer für mich da. Und ja, das ist das schönste der Welt. Aber ich glaube eben auch, dass ich dadurch weniger Selbstvertrauen für ungewisse und unbekannte Situationen aufgebaut habe. Ich würde das aber für kein Selbstvertrauen der Welt tauschen wollen. Ich liebe meine Familie genau dafür so unendlich fest. Denn während mir vielleicht für gewisse Situationen das Selbstvertrauen fehlt, habe ich durch ihr ständiges «für mich da sein» ein ultratiefes Urvertrauen in die Liebe und das Leben gewonnen. Ich weiss, dass ich immer, egal was ich tue voll und ganz geliebt werde. Und dieses Urvertrauen möchte ich niemals missen. Danke dafür Mama, Papa und Evalynda.

Zurück aber zu meinem Selbstvertrauen bei unbekannten Situationen. Das ist ganz klar eine Aufgabe, die ich zu meistern habe. Immer und immer wieder. Denn nur so stärke ich dieses Selbstvertrauen für Unbekanntes.

Wenn ich so darüber nachdenke geht es in dieser jetzigen Situation eigentlich viel mehr darum, dass ich mir selber vertrauen sollte, dass ich mich um mich kümmern kann. Es ist keiner da, der mir sagt welcher Bus vom Flughafen zum Hotel fährt. Oder welches Hotel ich als nächstes Buchen soll. Oder bei welchem Surf Camp ich noch anfragen soll. Oder welche Surfschule ich wählen soll und in welchem Hostel ich notfalls einfach die Tage verbringen soll. Ich muss mich ganz alleine darum kümmern und ich muss die Entscheidungen treffen. Und da sind wir nämlich wieder am Knackpunkt meines Seins. Ich bin ein Perfektionist, wenn es um Entscheidungen geht. Um kurz auszuholen. Es gibt zwei Arten von Entscheidungsfäller. Die pragmatischen und die perfektionistischen.

Der Pragmatiker trifft insgesamt mehr Entscheidungen, darunter aber auch öfters mal weniger gute.

Der Perfektionist trifft insgesamt deutlich weniger Entscheidungen, hat aber dafür eine sehr geringe «das war jetzt eher scheisse» Quote.

Während der Perfektionist mit seinen Entscheidungen so gut wie immer zufrieden ist, erlebt der Pragmatiker dafür deutlich mehr, weil er sich öfters schnell entscheidet.

Übrigens welcher Typ du bist, merkst du schon bei der Auswahl deines Netflix Programms. Schaust du dir tendenziell die erste Folge einer Serie einfach mal an und wenn’s nix ist, gehst du halt zur Nächsten, oder sitzt du wie ich gerne mal eine Stunde vorm Programm, zappts durch die Optionen nur um am Ende dann doch nichts zu schauen, weil du dich nicht entscheiden konntest. Klingt dumm. Ist es auch.

Aber ich weiss, so bin ich. Und in vielen Situationen, bin ich wiederum froh, so perfektionistisch zu sein bei meinen Entscheidungen. Denn wie gesagt, im grossen Ganzen, bin ich mit meinen Entscheidungen am Ende des Tages so gut wie immer glücklich und zufrieden.

Es geht nun also bei dieser Reise um mein Selbstvertrauen. Ich möchte mir einmal mehr beweisen, dass ich mich um mich selber kümmern kann. Und dass ich sehr wohl fähig bin, eine Woche ein bisschen Tag für Tag zu erleben und zu planen.


So, für den Moment passt das so. Ist eine ganze Weile her, dass ich mich wirklich aktiv hingesetzt habe, um zu schreiben. Vielleicht mach ich einfach ein Tagebuch diese Woche. Oder ich reflektier auf dem Heimflug wie die Woche war und ob ich stolz auf mich bin.

Keine Frage, egal wie die Woche verlaufen wird, stolz werde ich sicherlich sein.

Wir sind fast da, landen bald und mein Abenteuer geht los. Also eigentlich bin ich ja schon mittendrin. Und bis hierher liebe ich es: Die Endscheidung den Flug zu buchen, die Entscheidung alleine zu fliegen, die Entscheidung noch offen zu lassen, was ab Montag geschehen wird. Ich liebe es.

Mein kurzfristiges Ziel auf dieser Reise ist; jeden Tag präsent zu sein. Jeden Tag zu nehmen wir er kommt. Und irgendwann im Verlauf der Woche auf einem Surfbrett stehen. Ach, und jeden Abend, bevor ich mich ins Bett lege, in irgendeinen Spiegel zu schauen und zu sagen.

DU KANNST.

- Ende der Geschichte!




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