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Allein sein VS. Einsam sein


Es ist Montag der 16. März 2020.

Ich sollte in einem Proberaum in Zürich sitzen und alle Beteiligten der neuen Produktion kennenlernen. Heute wäre der Startschuss gewesen. Aber ich sitze auf meinem Hausberg.

Alleine.

Ganz oben auf einer Lichtung und schaue über den ganzen Zürichsee, und das ganze Linth Gebiet. Von hier oben sieht alles so klein aus. Ruhig. Wenn ich nicht wüsste, was für ein Chaos gerade tobt, könnte man meinen, es ist ein perfekter Tag. Allerdings tobt das Chaos nicht im Aussen. Das seh ich von hier oben klar. Die Natur zeigt sich am heutigen Montag von ihrer besten Seite. Die Sonne strahlt, es ist warm. Keine Wolken am Himmel. Und doch sind die Menschen so aufgewühlt wie schon lange nicht mehr.

Viele konnten heute Morgen, genau wie ich, nicht zur Arbeit gehen. Und auf einmal ist Montag doch nicht mehr so scheisse. Und die Menschen, die noch zur Arbeit können, sind an einem Montag wie heute richtig dankbar dafür. Schade, dass es eine Pandemie braucht um dieses Umdenken bzw. Umfühlen zu erreichen. Ich glaube zwar eher: Okey, es braucht also diese Pandemie, um einigen Menschen zum ersten Mal an einem Montag ein Gefühl der Dankbarkeit für ihre Arbeit zu geben . Es hat alles immer zwei Seiten. Und ich bin mir gerne beider Seiten bewusst. Mit welchem Gedanken ich dann weiter gehen möchte, entscheide ich immer neu.


Ich sitze hier also alleine auf diesem Berg und fühle mich so vollkommen. Ich konnte nicht mit meiner Arbeit starten und die Wahrscheinlichkeit, dass die Produktion abgesagt wird, kann keiner ausschliessen. Heisst also, ich weiss noch nicht ob ich die nächsten 3 Monate arbeitslos bin. Und dennoch, jetzt gerade in diesem Moment weiss ich nicht sicher, ob ich nicht tatsächlich dankbar dafür bin, hier sitzen zu können. Ich fühle mich so frei. Der Aufstieg auf diesen Berg, hat mich mental so gereinigt. Ich habe ein so tiefes Vertrauen in meinen Körper. Aber auch in das ganze System Welt. Ja, diese Pandemie bringt viel Negatives mit sich. Dennoch, ich verspüre ein tiefes Vertrauen. Alles wird gut. Die Zeit bleibt nicht stehen. Die Erde dreht sich weiter. Die Tage werden vergehen. Alles wird gut.

So sitze ich hier also alleine und fühle mich alles andere als einsam.

Gerade jetzt ist es wichtig diesen Unterschied zu kennen und vor allem zu verstehen. Warum fürchtet sich der Mensch so sehr vor diesem empfohlenen «Social Distancing» zu deutsch; soziales Abstandhalten. Keine Treffen mit Freunden und schon gar keine Umarmungen, oder Händeschütteln. Für mich ist klar, egal wie übertrieben es klingen oder wirken mag. Wir reden hier nur über eine absehbare Zeit. Und je eher wir uns daran halten, umso schneller kann die Wirkung in Kraft treten.

Alleine zu Hause bleiben. Oder eben alleine seinen Aktivitäten nachgehen. Sich nicht ins Kaffee setzten. Oder bei schönem Wetter in die Stadt rennen. Sucht euch Alternativen.

Wie oft hört man im Alltag Stimmen die sagen: «Oh Gott, ich würd so gerne mal wieder ausschlafen.» oder «Wie geil wär’s, einfach mal 8 Stunden nur mit Netflix zu verbringen!» «Ach, wie gern hätte ich mal wieder etwas Zeit für mich.» Und dann alle: «Aber doch nicht so! Doch nicht unter solchen Umständen?» Hey! - Warum nicht? Warum nicht genau jetzt? Schaut endlich mal die ganze Staffel auf Netflix durch, die ihr schon so lange sehen wolltet. Bleibt den ganzen Tag im Bett liegen. Oder lasst euch 3 Mal am Tag ein frisches Bad ein. Fang wieder an zu malen. Bestell dir die Leinwand und die Ölfarben. Tanz in deiner Wohnung zu deinem Lieblingssong. Mach deine eigene Disco. Sing deine Playlist vorm Spiegel durch. Probier alle Outfits in deinem Schrank durch. Stell deine Wohnung komplett um. Fang an zu töpfern. Schreib endlich den ersten Satz deines Buches. Oder ruf einen Menschen an, den du vermisst. Koch dir dein Lieblingsessen und back den verrücktesten Kuchen. Nimm dir endlich Zeit, das neue Rezept oder das 7 Gänge Menü auszuprobieren. Und halte Face-Time-Kaffeeklatsch-Dates.

Manchmal wird man krank, ein ander Mal bricht man sich den Arm, aber das Leben weiss immer, wie es dich bremsen muss. Und gerade kommt einfach eine sehr grosse Welle die sagt: STOPP.

Alle mal bitte bremsen. Alle mal bitte zurück zu sich. Geht nach Hause und kehrt zu euch zurück.

Setz dich also vielleicht auch mal hin und fang an dich zu fragen, ob du gerade alleine bist, oder einsam. Kennst du den Unterschied? Wann warst du das letzte Mal alleine? Und wann warst du das letzte Mal einsam? Bist du gerne allein? Kannst du alleine und einsam sein? Vor allem, kannst du alleine sein ohne einsam zu sein? Und wie ist es, wenn du mit jemandem zusammen bist? Bist du dann vielleicht trotzdem einsam? Und weisst du, was dir gegen Einsamkeit hilft?

Wir leben in einer so schnellen und digitalen Welt, dass wir oft in grossen Gruppen einsamer sind, als wenn wir tatsächlich alleine sind. Wir haben verlernt alleine zu sein, ohne uns einsam zu fühlen.

Und hier kommt sie, die Gelegenheit wird dir quasi vor die Füsse geworfen. Nimm sie an und lern dich kennen. Wer bist du überhaupt. Reflektier mal dein Leben. Was habe ich bisher alles erreicht? Wo will ich noch hin? Welche Hürden habe ich eigentlich in meinem Leben schon alle gemeistert und wo stoss ich immer wieder an meine Grenzen? Warum tue ich Etwas? Was motiviert mich? Was zieht mich runter? Bin ich eigentlich zufrieden mit mir oder hoffe ich, dass jemand anderes zufrieden ist mit mir?

Bin ich glücklich oder versuche ich andere Menschen glücklich zu machen?

Was sind eigentlich meine Schwächen und was lerne ich aus ihnen? Wer triggert sie und kann ich sie akzeptieren als Teil von mir?

Das sind alles Beispielfragen, die du dir stellen kannst. Alleine. Ohne einsam zu sein. Nur um dich noch besser kennen zu lernen. Oder vielleicht lernst du dadurch deine Einsamkeit kennen. Und kannst sie dann füllen. Wir stellen und beantworten uns solche Fragen viel zu selten wirklich ehrlich. Wir nehmen uns viel zu wenig Zeit, um die Beziehung zu dem Menschen zu pflegen, mit dem wir jeden Tag 24 Stunden Zeit verbringen. Wir pflegen unseren Körper, und waschen den Dreck von unseren Händen. Aber wie oft reinigen wir unsere Gedanken. Unsere Gefühle? Wie oft sind wir ehrlich zu uns selber und fragen mal unser Spiegelbild: Hey, von tief aus deinem Herzen, wie geht es dir gerade wirklich?

Und jetzt bekommst du das wertvollste Geschenk; Zeit! Wenn du also Lust hast, hol dir ein Blatt Papier oder such dein Journal wieder raus, das du eigentlich eh viel zu wenig genutzt hast und schreib. Oder mal. Einfach von der Seele weg. Du kannst aber auch alle die oben gestellten Fragen versuchen zu beantworten. Schreib zu jeder Frage mindestens einen Satz auf. Und lass ihn dann entweder so stehen oder hinterfrage deine Antwort. Wenn du Lust hast, nutz doch die Zeit, die Freundschaft zu dir selber zu pflegen. Ich bin der festen Überzeugung, dass jede Beziehung und jede Freundschaft nur so stark, so sicher und so glücklich sein kann, wie die einzelne Person es wirklich als eigenständiger Mensch ist.

Heisst also soviel wie, nutze diese Zeit, um dich selber so glücklich zu machen, dass du dein bester Freund wirst. Dass du am Ende verstehst, dass du keinen anderen Menschen auf dieser Welt wirklich brauchst, sondern einfach nur gerne dein Glück mit ihnen teilst. Mach dich endlich wieder selber zu deinem besten Freund! Lern dein ehrlichstes Ich wieder kennen. Frag dich selber all die Fragen, die du einen alten Freund, den du etwas aus den Augen verloren hast, fragen würdest. Ich schreib dir am Ende dieses Textes einige Sätze auf, die du vervollständigen kannst. Versuch sie ehrlich und spontan aus dem Bauch heraus zu beantworte, bzw. lass deinen Innern Besten Freund antworten. Und achte darauf, was die Antworten für Gefühle auslösen.


Ja, hier sitzen wir also jetzt alle. Alleine. Und viel zu viele sind einsam. Was für eine wundervolle Chance ist es also, Einsamkeit aus unserem Alleinsein zu verbannen.

Und wenn wir uns dann alle wiedertreffen und uns glücklich in die Arme fallen, werden wir uns so viel zu erzählen haben. Wir werden uns erzählen, was wir gekocht haben. Wir werden uns gegenseitig zum Essen einladen, weil wir ja jetzt die neuen Gerichte ausprobieren konnten. Wir werden über die Bücher und die Netflixserie reden. Wir werden die Zeit mit unseren Mitmenschen so sehr schätzen. Denn durch diese Trennung werden wir wieder verstehen, wie wertvoll die Menschen um uns sind. Die Arbeit und unser Arbeitsplatz. Der lockere Einkauf und das riesen Angebot. Wir werden verstehen, dass wir niemanden brauchen, aber für jeden Menschen dankbar sein können. Wir werden verstehen, dass jeder einzelne von uns einen wichtigen Beitrag leisten kann. Wir werden verstehen, dass am Ende des Tages die Liebe dafür gesorgt hat, dass wir zu Hause geblieben sind und dass es die Liebe ist, die zu einer Vorfreude wird, andere Menschen wieder umarmen zu dürfen. Wir werden verstanden haben, dass alleine sein nichts Schlechtes ist und wir nicht einsam sind, nur weil wir alleine sind.

Und ganz vielleicht werden wir nie wieder das gekaufte Klopapier subtil versuchen zu verstecken, sondern lächelnd und stolz damit nach Hause laufen.


Danke, dass du mir einen Teil deiner Zeit geschenkt hast!

Es ist schön, dass es dich gibt und ich wünsche dir, dass du in dieser Zeit mehr denn je verstehst, was für ein Geschenk auch du für diese Welt bist!

Achte auf dich.


In tiefer Liebe

Mareen







Sätze, die dein innerer bester Freund vollenden soll:


Ich fühle mich gerade…

Ich bin besonders stolz auf…

Das beste was ich bisher erreicht habe ist, …

Meine grösste Hürde bisher war, …

Der tiefste Punkt in meinem Leben war, …

Ich habe diesen Punkt überwunden, weil …

Der Mensch, den ich schon längst mal wieder kontaktieren sollte, ist: …

Ich kann besonders gut, …

Eine meiner Schwächen ist, ...

Mich zeichnet aus, dass...

Ich möchte unbedingt mal wieder, …

Ich bin besonders dankbar für: … (schafft dein Inner-BF hier 5Punkte?)

Mein Highlight der letzen Tage war: …


Kreiere, wenn du magst, noch eine Highlight Liste der letzten Tage.

Von jedem Tag ein Highlight und am Ende wählst du unter all den Highlights eines als Wochenhighlight.

Hättest du erwartet, dass genau das zum Wochenhighlight wird?

Oder was hat es überhaupt zu so einem Highlight gemacht?

Und was liegt noch vor dir, dass vermutlich auch zu einem solchen Highlight werden kann?


Ich wünsche dir viel Spass, beim Date mit deinem inneren Besten Freund!

Und sollte der innere Kritiker, bzw. der innere schlechte Freund auch mal vorbeikommen, schick ihn einfach nach Hause und weise ihn auf die Social Distancing Regel hin ;)


Liebe!

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